Villa Weyerbusch

Villa Weyerbusch - 1902 als Sommerfrische des Industriellen und Mäzens Emil Weyerbusch und seiner Gattin errichtet. Heute als „Villa Sophia“ Teil des Seminar- und Schulungszentrums der „Internationalen Schule des goldenen Rosenkreuzes“

Emil Weyerbusch, Industrieller und Mäzen, ließ sich 1900-1902 die Villa (im Dorfjargon „Filla“ ausgesprochen) im Land- und Jugendstil als Sommersitz bauen. Er selbst war 1846 in Elberfeld geboren und starb 1909 bei einem Kuraufenthalt am Gardasee, aber er hatte Vorfahren aus Oberölfen und fühlte sich der Region verbunden.

 

Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 liefen seine Geschäfte in Elberfeld sehr gut. Er besaß eine Knopffabrik mit über 600 Arbeitern.

 

Die romanische Basilika in Birnbach war durch Blitzschlag und Alter stark angeschlagen und man erwog bereits den Bau einer neuen Kirche. Weyerbusch finanzierte den Wiederaufbau des Kirchturms und die Erweiterung des Langhauses. Außerdem baute er für Birnbach ein neues Gemeindehaus.

 

Nach seinem Tod im Jahr 1909 ging die Villa als Vermächtnis an die Stadt Elberfeld, die sie zehn Jahre als Erholungsheim für Lehrer und Beamte nutzte.

 

1920 wurde die Villa an einen Bonner Unternehmer verkauft.


1926 übernahm der Kreis Altenkirchen und investierte in den Umbau des Hauses in ein „modernes“ Kinderheim.

 

Altenkirchener Zeitung, Ausgabe vom Freitag 26. November 1926 (Wörtliche Abschrift)

Vom Kreis-Kinderhein „Haus Weyerbusch“

Das Heim, das bis in den letzten Winkel die Umstellung von einem herrschaftlichen Privathaushalt in ein modernsten Ansprüchen genügendes Kinderheim erfahren hat, ist im Laufe des Sommers und Herbstes Gegenstand häufiger Besuche gewesen. Abgesehen von den schon bekannt gewordenen Besuchen, wie durch die Herren Oberpräsident und Regierungspräsident, Bürgermeister des Kreises und Vertreter der Presse, ist das Heim durch Vertreter der Landesversicherungsanstalt und Siegerländer Knappschaft, durch Herren der Geistlichkeit beider Konfessionen, der Ärzte- und Lehrerschaft, der charitativen Vereinigungen verschiedenster Art, durch Landräte und Vertreter der umliegenden Landkreise besichtigt worden. Bei allen Besuchen herrschte nur immer eine Stimme des Lobes. So ist es dann an der Zeit, auch die breitere Öffentlichkeit mit einigen Angaben über das Kinderheim zu unterrichten.

 

Das Heim liegt inmitten eines über 100 Morgen großen Parkes, der reich mit Wiesen, Spiel-und Turnplätzen durchsetzt ist. Ansichtskarten, die die verschiedenen Aufnahmen von Heim, Park und Gärten vermitteln, werden demnächst Vertreibung finden. Außer dem Haupthaus sind noch zwei zweistöckige Nebenhäuser, ein Waschküchenhaus, ein Akkumalatoren- und Pumpenhaus, eine für hiesige Verhältnisse übergroße Scheune, die bereits in eine geräumige Turnhalle umgebaut ist, sowie Obst- und Gemüsegärten vorhanden. Eine auf drei Seiten von schützender Waldkulisse umgebene und nach Süden offene, ca. 50 Meter lange Liegehalle ist errichtet worden. An Neueinrichtungen im Haupthaus sind insbesondere die auf jeder Etage befindlichen Wascheinrichtungen, Duschen, Vorrichtungen für medizinische Bäder, wie Fichtennadel, Soda und Salzbäder, sowie die im Keller befindliche Warmwasser- und Zentral-Heizung zu erwähnen. Küchen und Waschküche sind mit Koch- und Wascheinrichtungen, die einem solchen umfangreichen Betriebe entsprechen, wie Anstaltsherd, stabilen und geräumigen Kochgeräten, elektrischer Mangel sowie elektrischen Zentrifugen und Waschkesseln ausgestattet worden. Alles in allem ist zu sagen, dass auf den bewaldeten Höhen von Birnbach an einem landschaftlich hervorragenden Punkte eine Anstalt sich den Augen des Beschauers bietet, die innerlich und äußerlich als ein Schmuckkasten anzusprechen ist.

 

Das Tagewerk der Kinder verläuft folgendermaßen: 7:30 Uhr wird aufgestanden und nach der Morgenwäsche um 8 Uhr das erste Frühstück, bestehend aus Milchsuppen, Haferschleim und Brötchen eingenommen. Alsdann wird, wenn irgend möglich, im Freien gespielt. Es ist Grundsatz, dass die Kinder, wenn es die Witterung nur irgend erlaubt, sich immer im Freien aufhalten. An regnerischen Tagen wird die für solche Zwecke unentbehrliche Turnhalle benutzt. Um 10 Uhr wird das zweite Frühstück, bestehend aus Kakao und belegten Brötchen eingenommen. Hiernach wird eine Stunde rhythmisch geturnt, außerdem werden gymnastische Übungen vorgenommen. Unter der Zahl der Schwestern stehen hierfür besonders ausgebildete Kindergärtnerinnen zur Verfügung. Bis zum Mittagessen, das um 12 Uhr verabreicht wird, wird gespielt.

 

Nach dem Mittagessen müssen die Kinder 2 Stunden ruhen, eine Liegekur, auf die streng gehalten und von der Ärzteschaft großer Wert gelegt wird. Deshalb ist auch eine Liegehalle unbedingtes Erfordernis eines Kinderheimes. Um 3 Uhr nachmittags gibt es Milch und Brötchen. Der weitere Nachmittag wird durch Spielen und Turnen verbracht, 6:30 Uhr wird das Abendessen eingenommen, danach geduscht bzw. gebadet, bis schließlich gegen 8 Uhr Ruhe im Heim eintritt.

 

Die Kinder befinden sich selbstverständlich unter ständiger Aufsicht durch die Schwesternschaft. Es ist besonders reizvoll, zu sehen, mit welcher Liebe die Schwestern und die an ihrer Spitze stehende Oberin sich der Pflege der Kleinen hingeben. Mit der bloßen Aufsicht und der Überwachung des geschilderten Tageswerkes ist es nicht getan. Zur Unterhaltung der Kinder werden Chöre, zweistimmige Lieder und Gesänge eingeübt, wird auf einem Klavier Musik gemacht und was den Kindern besonders Freude bereitet, durch Radio und Lautsprecher die beliebte Märchenstunde vermittelt. All das trägt dazu bei, dass die Kinder sich nicht nur körperlich, sondern seelisch wohl fühlen. Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass die Schwesternschaft stets bemüht ist, die Kinder in jeder Beziehung erzieherisch zu beeinflussen.

 

An den Sonntagen ist in der katholischen Kirche von Weyerbusch und in der evangelischen Kirche von Birnbach Gelegenheit zum Gottesdienst gegeben. Es muss besonders betont werden, dass noch kein Kind einen gedrückten Eindruck gemacht, oder von Heimweh befallen wurde. Es herrscht vielmehr immer Fröhlichkeit und lauter Jubel, wovon der Kinder aus selbstständigem Antriebe geschriebene Postkarten reichlich Zeugnis geben.

 

Gute Verpflegung, Sauberkeit, frische Luft, liebevolle Behandlung und nicht zuletzt Regelmäßigkeit sind die Hauptfaktoren für die Gesundung eines kranken Körpers. Alles das finden unsere kranken Kinder droben im Hause Weyerbusch. Was Wunder, dass die Erfolge schon der ersten Kurse erstaunlich sind. Vom 15.07. – 27.08. waren 68 Mädchen, vom 01.09. – 20.10. 73 Knaben und dann vom 25.10. bis kurz vor Weihnachten sind 63 Mädchen dem Kinderheim anvertraut. Knaben und Mädchen wechseln also ab. Der erste Mädchenkursus hatte Gewichtszunahmen im Durchschnitt von 6 -8, im Höchstfalle von 12,5 Pfund, der erste Knabenkursus solche im Durchschnitt von 8 – 10, im Höchstfalle von 14,5 und 15 Pfund zu verzeichnen. Was das für einen Kinderkörper bedeutet, vermag wohl ein jeder zu beurteilen.

 

Die Erfolge des laufenden Kursus sind die gleichen.

 

Nach alledem ist zu sagen, dass es nicht nur ein guter Entschluss der Kreiskörperschaften gewesen ist, in dem Hause Weyerbusch und seinen Anlagen ein Kinderheim einzurichten, sondern es sind auch die von einer so jungen Anstalt zu erwartenden Erfolge weit übertroffen worden.

 

Sämtliche durch die oben erwähnten Neueinrichtungen entstehenden und über den Kaufpreis des Hauses Weyerbusch hinausgehenden Kosten waren – ohne besondere Etatmittel des Kreishaushaltes in Anspruch nehmen zu müssen – durch die von dem Herrn Oberpräsidenten genehmigte Lotterie zu decken beabsichtigt. Leider sind bisher nur etwas mehr als die Hälfte der Lose abgesetzt worden. So hat sich die Kreisverwaltung genötigt gesehen, einen Sammeltag zu Gunsten des Heimes zu veranstalten, der auf Sonntag den 28. November 1926 festgesetzt und von dem Herrn Regierungspräsidenten genehmigt worden ist. Es werden am genannten Tage in allen Ortschaften des Kreises Helfer u. Helferinnen der freien Liebestätigkeit u.a. Ansichtskarten vom Hause Weyerbusch auf Straßen und Plätzen zum Verkauf anbieten. Die Herren Vertreter der Geistlichkeit und der Lehrerschaft, sowie die Herren Bürgermeister und Vertreter der charitativen Verbände haben sich freiwillig in den Dienst der Sache gestellt.

 

Wenn nun am kommenden Sonntag der Ruf an die Bevölkerung geht, so darf erwartet werden, dass ein jeder sein Scherflein für das Heil unserer armen und erkrankten Kinder beisteuert.

 

Möge Gottes Segen immerdar über dem Hause Weyerbusch und den Kindern, die in ihm Erholung gefunden haben, walten.

 

Da der Kreis mit der finanziellen Belastung überfordert war, sah er sich gezwungen, 1938 das Kinderheim an die Fa. Hochtief AG zu verkaufen, die mit den Nationalsozialisten und dem Krieg gute Geschäfte machte. Die Kinder der Beschäftigten sollten sich in dem Heim erholen.

 

Nach dem Krieg diente das Haus den Franzosen als Lazarett, bis es seit den fünfziger Jahren als „Waldschulheim Michaelshof“ vom katholischen Erziehungsverein Dormagen genutzt wurde.

 

Nach vierjährigen Leerstand kaufte es im Jahre 1988 für 1,2 Mio DM die Hutterische Brüdergemeinde, um sich wieder in Deutschland niederzulassen. 1996 verließ die Brüdergemeinde Birnbach und Deutschland wieder.

 

1999 kauften die Rosenkreuzer das Gebäude und das Gelände. Die „Internationale Schule des goldenen Rosenkreuzes“ ist eine religiöse Gemeinschaft auf christlicher Grundlage.

 

Seit vier Jahren trägt die Villa den Namen „Villa Sophia“ und bildet mit den beiden anderen Gebäuden auf dem Gelände das Seminarzentrum „Haus Dreiklang“.

Ältere schwarz-weiß Aufnahme einer imposanten freistehenden Villa mit Terrasse, Erkern, Rundbögen und einem großen Treppenaufgang. Auf dem Dach weht eine Fahne mit drei Streifen.

Haus Weyerbusch – Foto von K. Käppele um 1906

Alte Schwarz-weiß Aufnahme einer imposanten Villa mit Balkon und Erkern und Rundbögen sowie großem Treppenaufgang.
Ältere Schwarz-Weiß Aufnahme einer Villa mit Erkern, Balkon, verglaster Terasse und großem Treppenaufgang. Auf ser Treppe stehen zwei Personen mit einem kleinen Hund. Im Vordergrund ist eine Wiese und Tannen zu sehen.

Rückseite der „Villa“ – Wintergarten und Freitreppe

Alte Schwarz-weiß Aufnahme eines Luftbild. Zentral ist eine größere Villa zu erkennen und unten rechts eine Hofanlage. Umgeben sind die Gebäude von Wiesen und Bäumen.

Luftbild von 1965. Die „Villa“ als Kinderheim des kath. Erziehungsvereins Dormagen. Die am oberen Rand erkennbare Rodungsfläche sollte ein Feriendorf werden. Die Kanalarbeiten wurden noch ausgeführt. Dann war Schluss.

Farbaufnahme einer Villa mit Balkon, Erkern und Rundbögen.